Vortrag, gehalten von Joachim v. Weschpfennig, auf dem Familientag am 29. Oktober 2005 in Heisterbacherrott |
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Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Familie, soweit bisher bekannt, urkundlich erstmals in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erwähnt wird, so befinden wir uns im Spätmittelalter, genauer: im ausgehenden Mittelalter, an der Schwelle zur Neuzeit. Die Menschen im Mittelalter dachten und fühlten anders als wir Menschen heute. Nur wenige konnten lesen und schreiben, und das Wissen beschränkte sich auf das eigene Umfeld. Sie hatten eine andere Vorstellung von der Welt, in der sie lebten. Sie glaubten an eine Vielzahl von Schrecken, Ungeheuern und Fabelwesen, welche die Ränder der bewohnten Welt unsicher machten, denn die Erde dachten sich manche als eine runde Scheibe, deren Rand an einem tiefen Abgrund endete. Die Menschen wurden von der Natur beherrscht, denn sie brachte Krankheit, Hunger, Viehsterben und Seuchen. Damals glaubten die Menschen, dass das nur mit Gott zusammenhängt. Mit allen Unglücken und schlimmen Dingen auf der Welt straft Gott die Menschen, er gibt ihnen ein Zeichen vom Himmel. Auch die Naturereignisse waren Zeichen göttlichen Zorns. In düsteren Wolken und Himmelserscheinungen wie Kometen sahen sie ein Vorzeichen für Kriege, Hungersnöte und Tod. Für die Menschen hatte daher die Religion eine sehr große Bedeutung. Sie suchten für die Wirren des Lebens einen Ausgleich und eine Stütze in der Religion, bei Gott und der Kirche. Die Gottesfürchtigkeit und die Frömmigkeit brachten es mit sich, dass die Menschen ganz selbstverständlich die Lehren der Kirche befolgten und am religiösen Leben teilnahmen. (Dieses Bild vor Augen, habe ich den Vortrag, den ihr heute erwartet, mit "Glaube und Frömmigkeit" überschrieben.) Es war damals von Vorteil, sich gut mit der Kirche zu halten - zunächst wohl aus Barmherzigkeit, aber es fiel dabei bestimmt auch für das eigene Seelenheil etwas ab. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, auch in unserer Familie. Da werden Kirchen und Klöster mit großzügigen Stiftungen zu Lebzeiten oder nach dem Tod bedacht, Einrichtungen und Ausstattungen der Gotteshäuser finanziert (Altäre, Fenster), beträchtliche Geldsummen sowie Liegenschaften und Altargerät zugewendet. So in Schönenberg, Ruppichteroth und Bödingen in der näheren Umgebung, um nur einige wenige aus einer Vielzahl von Beispielen zu nennen. Daeneben gibt es aber auch ganz persönliche Zeichen der Frömmigkeit - darüber möchte ich euch etwas sagen. Was ich damit meine, wird klar, wenn wir das Bild der Familie in diesen Zeiten näher betrachten. In der Regel gehörten zur Familie viele Kinder, mehr als heute. Der älteste Sohn übernahm oder erbte den elterlichen Besitz. Die anderen Söhne schlugen vielfach eine militärische Laufbahn ein oder gingen, oft nach einem juristischen Studium in den Staatsdienst. Die Töchter wurden gut ("standesgemäß") verheiratet oder, wenn dies nicht immer möglich war, gingen ins Kloster, wurden vielleicht auch schon einmal in ein Kloster gesteckt. Diese Art der Versorgung hatte einen Nebeneffekt: es war jemand da, der auch zum Seelenheil der übrigen Familienmitglieder mit beitragen konnte. Doch auch Söhne traten in ein Kloster ein und "ergriffen einen geistlichen Beruf“. Ich möchte nun konkret werden mit einer repräsentativen Auswahl von Beispielen dieser Art. Beginnen wollen wir mit Engelbert. (Übrigens: dieser Vorname, später auch Johann, findet sich derart häufig in unserer Familie, dass er als "Leitname" bezeichnet werden könnte.) In der Matrikel der Universität zu Köln erscheint er 1471-1473 unter dem Namen "Engelbert Wespennick de Blankenborch". Er besucht die so genannte "Artisten-fakultät" - das hat aber nichts zu tun mit Hochseilakrobatik, sondern die Bezeichnung stammt aus dem Lateinischen. Die Artistenfakultät war auf der mittelalterlichen Universität die Vorstufe zu den drei oberen Fakultäten, etwa der Oberstufe des heutigen Gymnasiums vergleichbar. Sie befasste sich mit den sieben freien Künsten ("artes liberales" - daher der Name) und war Vorläuferin der Philosophischen Fakultät. 1478, 1480 finden wir Engelbert als Pastor in Overath. Quelle dafür sind die so genannten Annatenregister aus der Zeit des Papstes Sixtus IV. Als Annaten (= "Jahrgelder") wurden die Abgaben an den Papst für die Verleihung von niederen kirchlichen Ämtern bezeichnet, welche im Mittelalter eine der wichtigsten Einnahmen der Kurie darstellten. In der Reformationszeit wurde diese Verknüpfung von Amtsverleihung und Geldeinnnahme heftig kritisiert. Annaten sind teilweise auch heute noch in Italien üblich. Am 14. April 1578 wurde Peter v. Scheidt genannt Weschpfennig zum Abt der Augustiner-Chorherren-Abtei zu Springiersbach (in der Nähe von Kröv/Mosel im Kreis Bernkastel-Witlich) gewählt. Schon vorher hatte er das Amt des Priors (erw. 1560) und das des Kellners ausgeübt. In seinem Nachruf wird er ein "würdiger Geistlicher" genannt, dessen besondere Eigenschaften "bürgerliche Bescheidenheit" und "herausragende Klugheit" waren. Sein Name begegnet häufig in Urkunden zur Wirtschaftsführung der Abtei ; sonst ist jedoch nichts Näheres über seine Tätigkeit bekannt. - Er starb 1593 und wurde in der Abteikirche beigesetzt. Peters Bruder, Adolf, geboren um 1533, wurde um 1554 in die Abtei Corvey an der Weser aufgenommen. Er wird 1576 als Kellner erwähnt und war seit 1583 Prior. Gestorben ist er am 16. Juli 1589 un liegt in der Abteikirche begraben. Wir kommen zu Johann Mant (auch in der latinisierten Form "Johann Mantuanus" genannt), geboren um 1569. Sein Name findet in den Urkunden des Ritterstifts St. Peter zu Wimpfen, dem heutigen Bad Wimpfen am Neckar, Landkreis Heilbronn, erstmalig Erwähnung, da er von einem Verwandten, Wilhelm v. Scheidt genannt Weschpfennig, zum Kanonikat vorgeschlagen wird. Die Stiftsherren lehnen jedoch diesen Vorschlag ab, das Johann Mantuanus erst 14 Jahre alt sei. Wimpfen war ein Kollegiatstift. Im Gegensatz zu einem Kloster ist das Stift ein mit Pfründen, d. h. mit eigenen, dem Lebensunterhalt des Stelleninhabers dienenden Einkünften versehenes Kollegium von weltlichen Klerikern, den so genannten Stiftsherren oder Kanonikern, die nach den kirchlichen Rechtsbestimmungen leben, und denen der Chordienst an einer bestimmten Kirche übertragen ist. Ein Jahr später setzt sich der Verwandte Wilhelm, vermutlich ein Onkel, dennoch durch, sodass Johann Mantuanus eine Residenz für ein Wimpfener Kanonikat, also eine Stiftsstelle erhält. In der entsprechenden Urkunde wird betont, dass er die Tonsur erhalten hat und dass der Nachweis ehelicher Geburt und Abstammung von beiden adligen Eltern noch nachgereicht wird. Auf jeden Fall ist er zur Einweisung in den Besitz der mit der Stelle verbundenen Einkünfte und zum Aufenthalt dort zugelassen. Einige Jahre später erhält er die Kaplanei St. Gangolf zu Neudenau, in der Gemar- kung Teutingen gelegen, zum Behelf seiner Studien. 1590 wird ihm sein Corpus (Finanzierung) für zwei Jahre Studium bewilligt und ebenso noch ein weiteres Jahr des Studium, weil er noch jung an Jahren. 1596 resigniert der Kanonikus Johann Mantuanus am Altar St. Gangolf in Neudenau, zwei Monate später endgültig, gibt also sein Amt auf, da er in die Heimat ziehen will. Er soll im gleichen Jahr geheiratet haben. Hier im Bergischen finden wir ihn dann noch oft in Urkunden, vor allem bei Grundstücksangelegenheiten. Im Januar des folgenden Jahres schreibt in einem Brief Dorothea, "nachgelaßene Witfrau weiland Johann Mant vom Scheidt gnandt Weschpfennig". Ihren Geburts- namen gibt sie nicht an. Sie wohne jetzt in Drolshagen im Sauerland. Sie schreibt "als arme verstorbene hochbedrubte Witwe, dass ihr Hauswirt sel. Joh. Mant neulicher Frist im Herrn entschlaffen ist". (Er ist etwa im Oktober 1614 gestorben.) Anna Elisabeth, vermutlich eine Schwester Johann Mants, war Äbtissin, sie wird auch Meisterin genannt, des Prämonstratenserinnen-Klosters zu Altenberg bei Wetzlar. Altenberg war ein Kloster adeliger Nonnen, eine Gründung der heiligen Elisabeth von Thüringen und deren Tochter, der seligen Gertrud, die dort bestattet ist. Anna Elisabeth soll dort bereits im jungen Alter von 22 Jahren um 1600 zur Äbtissin gewählt worden sein. Sie hat das Kloster mit großer Energie und viel Geschick geleitet. Sie ist dort am 12. Mai 1626 gestorben und liegt begraben unter dem großen Stein in der Nähe des Grabes der seligen Gertrud. Nach einer anderen Quelle hatte sie aber zunächst noch das Amt der Äbtissin von Niederzell bei Würzburg angenommen, wo sie an dem genannten Tag gestorben und in der dortigen Klosterkirche (?!) begraben sein soll. Vermutlich eine weitere Schwester Anna Elisabeths, Martha, war Äbtissin in Mariaroth. Mariaroth, ebenfalls ein Prämonstratenserinnen-Kloster, lag am rechten Moselufer auf dem Bergabhang zwischen Waldesch und Dieblich, unweit von Koblenz. Von Martha wissen wir nur, dass sie 1613 starb. Zuvor war dort bereits 1603 eine Klosterfrau mit Namen Maria v. Scheidt genannt Weschpfennig verstorben. Und im Jahr 1699 soll wiederum eine Martha Meisterin in Mariaroth gewesen sein. Weiter hören wir von einer Agnes v. Scheidt genannt Weschpfennig, die 1593 im Kloster der Augustiner-Eremitinnen zu Merten/Sieg "eingeweiht" wurde. Sie begegnet uns dann als Priorin. 1638 wurde sie zur Meisterin dieses Klosters gewählt. Mit Agnes' Regierung muss man in Köln wohl nicht zufrieden gewesen sein. Denn am 29. April 1646 erschien im Auftrag des Provinzials der Kölner Augustinerprior mit noch einem Begleiter in Merten, wie es hieß, um dort einzuführen, dass die Frau Meisterin von nun an alle drei Jahre gewechselt wurde. In Wirklichkeit aber entfernte man nur Agnes von ihrem Posten und wählte statt ihrer eine andere zur Frauenmeisterin, die dann, wie es bisher Sitte war, bis zu ihrem Tod im Amt blieb. Agnes wurde wieder Priorin. Eine Magdalene v. Scheidt genannt Weschpfennig wurde 1612 als Äbtissin des Benediktinerinnen-Klosters zu Königsdorf bei Köln erwähnt. Sie starb 1638. Johann Peter v. Scheidt genannt Weschpfennig, geborem an 12. Juli 1742 in Wendlingen bei Wissen, war ein Sohn der Eheleute Wallraf und Sofia geb. Groß. Der Vater Wallraf ist insoweit von großer Bedeutung, als von ihm die heute existierenden Linien Herchen, Küchelschlade/Oberberg und Wendlingen abstammen. Der Sohn Johann Peter empfängt 1766 die Weihe zum Subdiakon; zur Sicherung seines Lebensunterhalts ist dieses Amt mit Einkünften von den Grafen v. Hatzfeld-Wildenburg ausgestattet. Nach dem Empfang der Priesterweihe war er wohl zunächst für die Seelsorge in seiner Heimatpfarrei Wissen zugelassen und seit 1767 als Kaplan in Herchen auf Kosten des dortigen Pfarrers Ludwig angestellt, da dieser "taub und völlig vergreist war". Von den Einkünften des Pfarrers in Höhe von jährlich 78 Talern sollte der Kaplan 30 Taler erhalten, wegen der Bedürftigkeit des Pastors hat er aber bis zur Resignation Ludwigs nichts erhalten. Pfarrer Ludwig resignierte 1771 zugunsten seines Kaplans und wollte ihm die Pfarrei einfach übergeben. Die herzogliche Regierung akzeptierte das jedoch nicht und erst auf dringende Bitten des Siegburger Dechanten wurde es genehmigt. Johann Peter musste allerdings demütigst um die Übertragung der Pfarrstelle nachsuchen und sich dem Examen in Düsseldorf unterwerfen. Pastor Ludwig wollte nach seinem Rücktritt eine jährliche Pension von 70 Talern, die Pfarrgemeinde lehnte das ab und bot ihm an, seinen Lebensabend im Priesterhaus in Köln zu verbringen. Das unerfreuliche Problem erledigte sich durch den baldigen Tod von Pastor Ludwig 1772, zudem hatte sich der 1771 ernannte neue Pfarrer - unser Johann Peter - bereit erklärt, die Pension zu zahlen. Johann Peter starb am 14. November 1791 an einem krebsartigen Geschwür im Hals. Er wurde neben seinen Vorgängern vor dem Hochaltar der Pfarrkirche in Herchen begraben. Interessant ist der Pfarrer v. Weschpfennig noch aus einem anderen Grund: Zum Abschluss noch einen Blick in die jüngste Vergangenheit, also in die Gegenwart. Ich möchte erinnern an den für viele unter uns unvergessenen Monsignore Peter v. Weschpfennig ("Onkel Peter"), geboren 1886 in Oetteshagen bei Wissen, gestorben 1974. - Und ich nenne den Diakon Klaus v. Weschpfennig, gestorben 1997 im Alter von 49 Jahren. Er war Seelsorger in einer Einrichtung für Behinderte und zuletzt im Grenzdurchgangslager Friedland sowie Leiter der dortigen Caritasstelle. |
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